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Titel
Römische Münzhorte des 3. Jhs. in Gallien und den germanischen Provinzen. Eine Studie zu archäologischen Aspekten der Entstehung, Verbergung und Auffindung von Münzhorten


Autor(en)
Haupt, Peter
Reihe
Provinzialrömische Studien 1
Erschienen
Anzahl Seiten
305 S.
Preis
€ 42,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kay Ehling, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München Homepage: http://www.geschichte.uni-muenchen.de/ag/personen_ehling.shtml

In den letzten Jahren ist die Interpretation von Münzhorten insbesondere der späteren römischen Kaiserzeit zunehmend problematisiert worden.1 Immer deutlicher wird, dass das Verbergen bzw. Nicht-Bergen von Münzschätzen bzw. -horten eine Reihe von ganz unterschiedlichen Gründen gehabt haben kann und es nicht ohne weiteres zulässig ist, gleichsam a priori Kriegshandlungen oder Barbareneinfälle als Ursache anzunehmen. Wie groß hier die Gefahr von Zirkelschlüssen ist, zeigt P. Haupt (S. 90f.) sehr schön auf. Aber diese Erkenntnis hat auch ihren ‚Preis': Der bislang angenommene historische Quellenwert der Münzfunde bzw. Münzfundhorizonte relativiert sich ganz entscheidend.

Computergestützt erfasst Haupt insgesamt 1724 Horte, deren Schlussmünzen nach Marc Aurel und vor Diocletian geprägt wurden, und zwar für den geographischen Raum Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Schweiz und 'römisches' Deutschland.2 Zunächst bestimmt Haupt Begriffe wie "Hort", "Hortung", "Hortsicherung" und "Schatz" (S. 10ff.). Die weithin gebräuchlichen Ausdrücke "Schatz" und "Schatzfund" sucht er bewusst zu vermeiden, da mit diesen "doch immer ein hoher heutiger Wert impliziert wird, was nicht selten der antiken Wertschätzung kraß entgegen steht" (S. 15). "Hort" dagegen ist eine "eher wertfreie archäologische Bezeichnung" (S. 11). Auf den Seiten 20-32 erläutert Haupt den Aufbau seiner Datenbank (Microsoft Access 97) bzw. deren verschiedene Eingabefelder. Anschließend wird der Frage nach dem Zusammenhang von ‚Schatz'findung und Fundmeldung bei den Behörden nachgegangen, denn in der Regel werden nur die ordentlich gemeldeten Münzhorte wissenschaftlich bearbeitet und publiziert. Der starke Anstieg angezeigter Münzhorte im 19. Jahrhundert wird mit drei Faktoren in Verbindung gebracht: 1.) dem gewachsenen bzw. neuentstandenen Interesse des humanistisch geprägten Bildungsbürgertums an der "vaterländischen" Geschichte und der klassischen Antike, 2.) der staatlichen Förderung von Museen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und 3.) der "hohe(n) Disziplin bei Fundmeldungen durch die obrigkeitsfürchtigen Finder", wobei über 90% der Horte von Bauern oder Arbeitern entdeckt wurden (S. 36). Demgegenüber gehen die Zahlen von Fundmeldungen seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts "stark zurück" (S. 37).

In dem zentralen Kapitel "Hortung und Hortverbergung im römischen Gallien" (S. 59-85) untersucht Haupt die Ursachen, die zur Bildung und Verbergung von Horten führen. Im Einzelnen benennt er zwölf Gründe: 1.) Mitgiften, 2.) Rücklagen, 3.) zielgerichtetes Sparen, 4.) Gewinne, 5.) Spekulationen, 6.) Furcht vor Konfiskationen, 7.) Furcht vor Kriegshandlungen, 8.) Furcht vor Räuberunwesen, 9.) Furcht vor unmittelbaren Mitmenschen, 10.) Weihegaben, 11.) Grabbeigaben und 12.) Sonstiges (z.B. Diebesgut). Die Furcht vor Bürgerkriegshandlungen und Barbareneinfällen werden in der Forschung weithin als der entscheidende Grund für das Verbergen von Horten angesehen und an Hortfunde oftmals weitreichende historische Schlussfolgerungen geknüpft. Haupt stellt aber richtig fest, dass die Rolle kriegerischer Ereignisse bezüglich der Hortbildung und der Belassung von Horten weit überschätzt wird. Dieser Problematik wendet er sich (S. 87-95) dann noch einmal ausführlich zu. Es sei an dieser Stelle kurz auf eine Passage bei Prokop hingewiesen, die deutlich macht, wie Horte zusammengesetzt sind, die angesichts einer akuten kriegerischen Bedrohung verborgen wurden. In seiner Geschichte des Gotenkrieges berichtet er von der 20-tägigen Belagerung Neapels durch byzantinische Truppen im Jahr 536. Zum Ende der Belagerung hin heißt es: "[...] Denn da alle Besitzer von Gold und sonstigen Wertsachen ihre Schätze vorher vergraben hatten, bekamen sie diese, ohne daß die Feinde es merkten, mit ihren Häusern zurück" (1,10,36; Übersetzung von O. Veh). Die Bewohner verbergen also Gold und weitere kostbare Gegenstände, bei denen es sich neben Solidi (?) um Schmuck, Kunstwerke und andere, wertvollere Haushaltsgeräte (wie Geschirr, Kandelaber u.ä.) gehandelt haben wird. Bei echten Kriegshorten wird es sich demnach um ‚bunt' zusammengesetzte, wertvolle ‚Schätze' handeln, die außerdem in einem auffälligen archäologischen Kontext stehen dürften (z.B. unterhalb des Kellers eines Hauses; zur Bedeutung des archäologischen Befundes vgl. Haupt S. 94). Freilich gilt das von Prokop geschilderte Szenario nur für begüterte Stadtbewohner; auf dem Land sah es vielleicht schon wieder anders aus. - Ein typischer Münzhortfund des 3. Jahrhunderts n.Chr. hingegen ist weniger kostbar und setzt sich aus 100 bis 200 Denaren und/oder Antoninianen zusammen, die irgendwo versteckt wurden und in ihrer Zusammensetzung eher einer ‚Sparbüchse' gleichen. Während es im Osten des Römischen Reiches selbst in einem rückständigen Gebiet wie Judäa Banken gab, bei denen man sein Geld hinterlegen konnte, etwa wenn man auf Reisen ging (Lk. 19, 11-27; bes. 19, 23: trapeza "Wechseltisch, Bank"), mangelte es im Westen an vergleichbaren Einrichtungen. Das Fehlen von Banksparkonten machte das individuelle Verbergen von "Notgroschen" und Geldhorten in besonderen Situationen praktisch unumgänglich (S. 59, 240), weshalb die große Masse der "gallischen Münzhorte des späten 2. und 3. Jahrhunderts verborgene Rücklagen gewesen sein" werden (S. 239). Die Gefahr, plündernden Germanen oder marodierenden römischen Soldaten zum Opfer zu fallen, stellte wohl eine geringere Bedrohung als die Gefahr eines Einbruchs und Diebstahls durch habgierige Nachbarn dar (S. 89).

Der Rezensent kann allerdings nicht glauben, dass die Nicht-Hebung eines Hortes tatsächlich "mangels Bedarf" erfolgt sein soll (S. 82, 241, 303). Nun mag zwar ein Hort von selbst einigen hundert schlecht ausgeprägten irregulären Tetrici-Antoninianen nicht besonders wertvoll gewesen sein, aber bei den insgesamt eher bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen die große Masse der Bevölkerung gelebt hat, wird der Vergräber doch sicher einige Mühen auf das Wiederfinden verwendet haben; schließlich hätte er sonst das Geld ja erst gar nicht zu verbergen brauchen. Einen antiken Beleg für das sorgfältige Suchen nach Geld gibt das bekannte Gleichnis von der verlorenen Drachme im Lukas-Evangelium, wo es (Luk. 15,8) heißt: "Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich (epimelos), bis sie das Geldstück findet?" Für die Nicht-Bergung eines Münzhortes muss es daher vielmehr immer ganz konkrete Gründe gegeben haben, die sich allerdings unserer Kenntnis entziehen. Denkbar ist, dass die Verbergungsstelle vergessen wurde (hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt; so darf man sich ohne weiteres vorstellen, dass zahlreiche ‚Sparbüchsen' nachts nach dem Konsum größerer Mengen Alkohol versteckt wurden und anschließend nicht wieder gefunden werden konnten) oder der Ort durch landschaftliche Veränderungen (z.B. Brand oder Rodung) nicht mehr auffindbar war. Möglich sind auch der plötzliche natürliche oder gewaltsame Tod des Vergräbers oder dessen Verbannung (S. 241). Wenn es sich bei den meisten Horten um im weitesten Sinne Sparhorte handeln sollte, wie Haupt mit Recht annimmt, verwundert die hohe Zahl heute gefundener Münzhorte eigentlich nicht. Sinn der Verbergung einer ‚Sparkasse' war ja gerade, dass diese nur dem Sparer bekannt sein sollte. Wahrscheinlich wussten nicht einmal dessen nächste Angehörige über die Kasse Bescheid, geschweige denn über deren Deponierungsort. Der Feststellung: "Die Verbergung der Horte scheint also zu jeder Zeit mehr von der Bevölkerungsdichte, als von Barbareneinfällen [...] beeinflußt worden zu sein" (S. 304), kann man nur zustimmen. D.h. je höher die Besiedlungsdichte eines Gebietes war, desto mehr ‚Sparkassen' wurden an geheimen Orten deponiert und desto mehr Horte werden folglich unserer Tage dort geborgen.

Den Hauptteil der Arbeit bildet eine Aufstellung und Kartierung von 65 Hortgruppen (S. 104-237). Für die germanischen Provinzen besonders typische Horte sind nach Haupt: 1.) Horte mit größeren Anteilen von älterem Silbergeld, 2.) Große Hortinhaltszeiträume in der Severus-Alexander-Zeit, 3.) Gemischte Horte mit Kupfer- und Silbermünzen, 4.) Horte mit Denaren des Clodius Albinus, 5.) Horte mit Rollgeld, 6.) Horte mit sog. ‚Greek Imperials', 7.) Horte mit einem terminus post quem in den 210er und den 240er Jahren, 8.) Kupferhorte der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts mit Geld höheren Alters, 9.) Horte in organischen Behältnissen und 10.) Mittlere Hortinhaltszeiträume in der Commodus-Severus-Zeit (S. 109). Ob allerdings Horte mit römischen Provinzialprägungen (der Ausdruck ,Greek Imperials' ist nicht mehr gebräuchlich) wirklich charakteristisch sind, möchte ich stark bezweifeln. Hingegen sind für die germanischen Provinzen nach Haupt eher untypisch: 1.) Horte mit hohem Gewicht (über 50 kg), 2.) Silberhorte mit hoher Gesamtzahl, 3.) Horte nur mit Goldmünzen, 4.) Horte mit Münzen des Laelianus, 5.) Horte des Gallischen Sonderreiches mit kleinen Hortinhaltszeiträumen, 6.) Horte mit Münzen der Gordiane I. und II., 7.) Horte mit Schmuck, 8.) Horte in Metallgefäßen, 9.) Gemischte Horte mit Kupfer- und Silbermünzen, letztere in geringen Anteilen, 10.) Horte mit einem terminus post quem in den 190er, den 200er Jahren, der Regierungszeit des Claudius II./Victorinus, der 2. Hälfte der 270er und der 1. Hälfte der 280er Jahre, 11.) Horte mit kleinen Hortinhaltszeiträumen der Severus-Alexander-Zeit, der Postumus-Zeit und der Probus-Zeit, 12.) Horte mit mittleren Hortinhaltszeiträumen der Postumus-Zeit, 13.) Horte mit großen Hortinhaltszeiträumen der Probus-Zeit u.a. (S. 109f.). Bei Horten mit Rollgeld (S. 236f.) ist jetzt die Arbeit von R. Weiller zum Schatzfund vom Titelberg zu vergleichen.3 In den germanischen Provinzen gar nicht vertreten sind z.B. Horte mit keltischen Münzen oder Horte mit Kupfermünzen des Clodius Albinus (S. 110).

Diverse nützliche Indizes (S. 264ff.) erleichtern die Suche etwa nach speziellen Horten bzw. Fundplätzen oder nichtmonetären Bestandteilen einzelner Hortfunde. Schlussbetrachtung (S. 239-242) und Kurzfassung (S. 303f.) bieten die wesentlichen Ergebnisse in konzentrierter Form. - Fazit: P. Haupt hat eine sehr anregende, kritische Studie vorgelegt, die nicht nur den numismatischen und provinzialrömischen Fachkollegen und allen Fundmünzenbearbeitern wirklich zu empfehlen ist. Der Rezensent ist sicher, dass von dieser Arbeit wichtige Impulse für die eingangs kurz angesprochene Forschungsdiskussion ausgehen werden.

Anmerkungen:
1 Eine gute Zusammenfassung des Diskussionsstandes mit weiterführenden Überlegungen bietet Witschel, Christian, Krise - Rezession - Stagnation? Der Westen des römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr., Frankfurt am Main 1999, S. 85-99.
2 Für Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Deutschland, Portugal, Spanien und England im Zeitraum von 253-269 vgl. jetzt den Aufsatz von de Greef, G., Roman Coin Hoards and Germanic Invasions AD 253-269. A Study of the Western Hoards from the Reigns of Valerian, Gallienus and Postumus, in: Revue Belge de Numismatique 148 (2002), S. 41-99, in dem 767 Münzfundhorte aufgelistet und ausgewertet sind.
3 Weiller, R., Der Schatzfund vom Titelberg (1995). Antoniniane von Caracalla bis Aurelian, Studien zu Fundmünzen der Antike (SFMA 15), Berlin 1999, bes. S. 27ff. u. 97ff.

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